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Das BREXIT-Chaos
Wie neue Schlagbäume in die Sackgasse führen
Am 23. Juni 2016 haben die Wähler im United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland in einem Referendum mit knapper Mehrheit für einen Austritt aus der Europäischen Union votiert: 51,9 Prozent stimmten für „LEAVE“ und 48,1 Prozent für „REMAIN“. Die Wahlbeteiligung lag bei 72,2 Prozent.
Einer der wesentlichen Gründe für den so beschlossenen BREXIT war die Ablehnung offener Grenzen innerhalb der EU. Weil nach ihrer Meinung zu viele EU-Bürger aus Mittel- und Osteuropa ins Vereinigte Königreich gekommen waren, wollte eine knappe Mehrheit der Briten wieder eigene Grenzen und den europäischen Binnenmarkt verlassen, der mit seinen vier Grundfreiheiten (Freier Warenverkehr, Personenfreizügigkeit, Dienstleistungsfreiheit und freier Kapital- und Zahlungsverkehr) Menschen nicht schlechter behandelt als Waren.
Am 29. März 2017 aktivierte die britische Premierministerin Theresa May durch schriftliche Mitteilung an den Europäischen Rat den Austrittsprozess gemäß Artikel 50 des EU- Vertrags. Dort heißt es:
„ 1) Jeder Mitgliedstaat kann im Einklang mit seinen verfassungsrechtlichen Vorschriften beschließen, aus der Union auszutreten.
2) Ein Mitgliedstaat, der auszutreten beschließt, teilt dem Europäischen Rat seine Absicht mit. Auf der Grundlage der Leitlinien des Europäischen Rates handelt die Union mit diesem Staat ein Abkommen über die Einzelheiten des Austritts aus und schließt das Abkommen, wobei der Rahmen für die künftigen Beziehungen dieses Staates zur Union berücksichtigt wird. Das Abkommen wird nach Artikel 218 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union ausgehandelt. Es wird vom Rat im Namen der Union geschlossen; der Rat beschließt mit qualifizierter Mehrheit nach Zustimmung des Europäischen Parlaments.
(3) Die Verträge finden auf den betroffenen Staat ab dem Tag des Inkrafttretens des Austrittsabkommens oder andernfalls zwei Jahre nach der in Absatz 2 genannten Mitteilung keine Anwendung mehr, es sei denn, der Europäische Rat beschließt im Einvernehmen mit dem betroffenen Mitgliedstaat einstimmig, diese Frist zu verlängern.
(4) Für die Zwecke der Absätze 2 und 3 nimmt das Mitglied des Europäischen Rates und des Rates, das den austretenden Mitgliedstaat vertritt, weder an den diesen Mitgliedstaat betreffenden Beratungen noch an der entsprechenden Beschlussfassung des Europäischen Rates oder des Rates teil. Die qualifizierte Mehrheit bestimmt sich nach Artikel 238 Absatz 3 Buchstabe b des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union.
(5) Ein Staat, der aus der Union ausgetreten ist und erneut Mitglied werden möchte, muss dies nach dem Verfahren des Artikels 49 beantragen.“
Mit dem Schreiben der britischen Regierung vom 29. März 2017 war also als Austrittsdatum der 29. März 2019 festgelegt. Es begannen die Verhandlungen über einen Austrittsvertrag. Diese Verhandlungen entlarvten die Irreführung der britischen Wähler, man könne beim BREXIT die Vorteile der EU weiter nutzen, sich aber der Pflichten in der EU entledigen. Vor allem lehnte die EU das Ansinnen der Britischen Regierung ab, für EU-Bürger neue Grenzen zu errichten, die für EU-Waren nicht gelten sollten.
Am 14. November 2018 legten die Europäische Kommission und die britische Regierung einen 585 Seiten umfassenden Entwurf für ein Austrittsabkommen vor. Dessen Ratifizierung kann nur erfolgen, wenn ihm der Europäische Rat, das Europäische Parlament und das Parlament des Vereinigten Königreichs zustimmen.
Am 25. November 2018 stimmten im Europäischen Rat alle 27 in der EU verbleibenden Staaten dem Vertragsentwurf zu. Die Abstimmung im Europäischen Parlament steht unmittelbar bevor. Am 15. Januar 2019 lehnte das britische Parlament den Vertragsentwurf mit 202 : 432 Stimmen ab.
Vor allem ist das Unterhaus gegen den „Backstop“ (Absicherung) im Brexit-Deal ab. Dieser „Backstop“ verhindert, dass die Grenze zwischen Irland und dem britischen Nordirland zur EU-Außengrenze wird, weil dadurch der fragilen Frieden auf der Insel gefährdet würde: das Karfreitagsabkommen garantiert nämlich offene Grenzen zwischen Irland und Nordirland.
Bis sich Brüssel und London auf ein Handelsabkommen geeinigt haben, das auch Grenzfragen zwischen der EU und Großbritannien regeln würde, soll Großbritannien deshalb in einer Zollunion mit der EU bleiben, Nordirland außerdem im europäischen Binnenmarkt. So können Grenzkontrollen zwischen Irland und Nordirland entfallen und würden zwischen der britischen Hauptinsel und Nordirland stattfinden. Notwendig sind solche Kontrollen, weil sich die Briten durch den EU-Austritt von EU-Standards z. B. zur Lebensmittelsicherheit oder der Umweltfreundlichkeit von Produkten verabschieden. Ein Handelsabkommen könnte hier neue Regeln vereinbaren, der Backstop wäre nur bis dahin in Kraft. Die Briten lehnen das ab, weil sie trotz des EU-Austritts gerne die Vorteile EU-Binnenmarktes mit seinen offenen Grenzen behalten wollen – aber nicht für Menschen, sondern nur für Güter. Die EU lehnt diese Rosinenpickerei einmütig ab.
Das ist eben die Konsequenz des Brexit: wer aus der EU raus will, verabschiedet sich von der historischen Leistung des Friedensprojekts der europäischen Einigung, Grenzen mit all ihren Problemen überwunden zu haben. Das Ja zum Brexit war ein Ja zu neuen Schlagbäumen.
Die bisherigen Abstimmungen des Unterhauses offenbaren immer wieder die Sackgasse, in der sich die Briten fetsgefahren haben. Mehrheiten gibt es nur für ein destruktives Nein, konstruktive Vorschläge haben keine Chance. Auch am 29. Januar 2019 stimmten die 650 Mitglieder im Unterhaus (317 Konservative, 10 DUP, 256 Labor, 35 SNP, 11 Liberal-Demokraten und 21 weitere) nach diesem Muster:
Das Unterhaus hat also dafür votiert, einem Brexit-Vertrag nur ohne Backstop zuzustimmen. Da das alle 27 EU-Mitglieder incl. Irland ablehnen, wird es keinen solchen Vertrag geben. Aber gleichzeitig will die Mehrheit des Unterhauses die EU nur mit einem Vertrag verlassen (kein „“No Deal“). Man kann aber nicht gleichzeitig die Kuh melken, die man schlachten will. Viele Briten verzweifeln darüber, wie Konservative und Labour mit dem Thema Europa umgehen. Sie wollen ein Referendum, das die Chance zur Neubeurteilung der Lage gibt. Das ist angesichts des BREXT-Chaos nur zu verständlich.