Die Auswertung der Internet-Aktion "Bonn packts an" finden Sie hier.
Wie die Stadt Bonn zur Internetaktion "Bonn packts ab" falsche Zahlen verbreitet finden Sie hier
Warum die Bonner Online-Befragung über 300.000 Euro kostete finden Sie hier.
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Der Internet-basierte "Bürgerhaushalt", den u. a. auch die Stadt Bonn durchführt, ist ein manipulatives, unseriöses und irreführendes Verfahren, das wenig mit Bürgerbeteiligung, aber viel mit Bürgerverwirrung zu tun hat.
Lesen Sie dazu auch einen interessanten Artikel zum Online-"Bürgerhaushallt" in Stuttgart hier.
Im folgenden finden Sie konkrete Bonner Beispiele, die Sie hier ausdrucken können:
8) Hochaktive Minderheit bestimmt Kommentare
7) Nur 12 Prozent loben die Internetabstimmung
6) Abstimmungstricksereien in Potsdam, Gütersloh und Bonn
5) Legendenbildung mit falschen Nutzerzahlen
4) Interessensverquickung bei der Projektleitung
3) Manipulative Fragen
2) Gleiche Frage - Gegensätzliche Voten
1) Massive Kritik von Nutzern
Gerne verweisen die Betreiber des angeblichen "Bürgerhaushalts" auf die hohe Zahl von Kommentaren zu den Sparvorschlägen als Beleg für eine hohe Bürgerbeteiligung. Ein Blick hinter die Kulissen entlarvt aber auch diese Luftnummer. Hinter den bisher ca. 12.000 Kommentaren steckt eine kleine hochaktive Minderheit. Am meisten kommentiert ist zum Beispiel der Vorschlag zur Schließung von Oper und Schauspiel (V1). Von den 205 Kommentaren kommen aber allein 74 von nur zwei Personen ("drbonner" und Micha2564). Insgesamt beteiligen sich weniger als 30 Leute an der Diskussion.
Wie heisst es so aufschlussreich in der Auswertung des "Kölner Bürgerhaushaltes": "Mit Blick auf die Abgabe von Vorschlägen und dem Schreiben von Kommentaren wird das Geschehen auf der Plattform deutlich geprägt von einer kleinen Anzahl von Beteiligten. Sämtliche Vorschläge stammen von knapp 6,5 % der Beteiligten, ein Anteil von 55 % der Kommentare stammt von einer Gruppe von Hoch-Aktiven, die 1,8% der beteiligten Bürgerinnen und Bürger ausmacht."
Selbst unter den Nutzern des Internet-Verfahrens "Bonn packts an" überwiegt deutlich die Kritik. Im eigens eingerichteten Forum "Lob und Kritik" äußern sich nur 12 Prozent der Kommentare lobend zum Verfahren. Fast die Hälfte äußert zum Teil massive Kritik: „Absurd" - „manipuliert" - „gewaltiger Flop" - „Ich fühle mich benutzt" - „Reine Farce" - „Traurige Angelegenheit" - „wende mich mit Grauen ab" - „Realisierung doch sehr bedauerlich" - „Eigentlich nur Kopfschütteln" - „Augenwischerei" - „So geht es nicht" meinen Bürger, die versucht haben teilzunehmen. Der Stand am 7. Februar 2011 um 9.00 Uhr lautete bei 144 Einträgen: 67 mal Kritik, 18 mal Lob, 59 mal Sonstiges und Verfahrensfragen.
Die Stimmen im Einzelnen finden Sie hier.
Drei konkrete Beispiele aus Potsdam, Gütersloh und Bonn zeigen, wie beim internet-basierten Bürgerhaushalt manipuliert wird - sei es durch Mehrfachabstimmungen oder die Mobilisierung von Internutzern, die garnicht in der jeweiligen Stadt leben. Mehr dazu finden Sie hier.
Immer wieder verbreitet die Stadt Bonn in ihren offiziellen Presseerklärungen falsche Zahlen zur Nutzung des Internetportals "Bonn-pakts-an": "2100 Bonnerinnen und Bonner" hätten sich beteligt (20.1.2011) "4300 Bürgerinnen und Bürger" (24.1.2011), "5000 Bonner" (25.1.2011) oder "6100 Bürgerinnen und Bürger" (27.1.2011) und über 8000 „registrierte Teilnehmende" ( 2. 2. 2011). Auch auf der Homepage selbst wird bewusst irreführend die "Anzahl der registrierten Teilnehmer" angegeben.
Tatsächlich handelt es sich um die Zahl der registrierten e-mail-Adressen. Niemand weiß wieviele tatsächliche Personen dahinter stehen, da man sich problemlos mit verschiedenen e-mail-Adressen registrieren und mehrfach abstimmen kann. Außerdem ist nicht feststellbar, ob die Teilnehmer Bonner sind oder nicht. Über 90 Prozent der Teilnehmer benutzen nicht ihre tatsächlichen Namen, sondern nehmen anonym am Verfahren teil.
Aus den bisherigen Erfahrungen kann man schliessen, dass bis zu einem Drittel der abgegebenen Stimmen aus Mehrfachabstimmungen bzw. von Nicht-Bonnern kommen", sagte Eisel.
Ebenso falsch ist die Aussage einer städtischen Presseerklärung: „Die Nutzerinnen und Nutzer ... hinterließen 9.650 Kommentare" (2.2.2011). Tatsächlich zählt das System jede Stellungnahme der Verwaltung und der Redaktion als „Kommentar". Fast ein Drittel fallen in diese Kategorie und stammen nicht von Nutzern des Portals.
Es ist sehr auffällig, dass eine unabhängige Begleitung des aufwendigen Internetprojektes "Bonn packt´s an" nicht stattfindet.
Der oft zitierte "Berater der Stadt Bonn" Dr. Oliver Märker hat als geschäftsführender Gesellschafter der beauftragten Firma "Zebralog" ein unmittelbares kommerzielles Interesse daran, dass die Schwächen seines Produktes im Blick auf künftige Kunden verbreitet werden. Immerhin erhält die Firma von der Stadt Bonn über 70.000 € für die Durchführung und verwendet dabei die gleiche Software, die sie schon in vielen anderen Kommunen gewinnbringend verkauft hat. Da taucht auch schon mal im Bonner Forum als Absender der Moderation "moderation.essen@zebralog.de" auf (26.1.2011, 17.04) . Es ist nichts Verwerfliches daran, wenn eine Firma Geld verdient, aber eine unabhängige Bewertung des eigenen Produktes ist dabei nicht gerade wahrscheinlich.
Auch vom städtischen Projektleiter Dirk Lahmann wird man nicht erwarten dürfen, dass er die Schwachstellen des eigenen Projektes offenlegt. Der "Bonner Presseblog" erinnert übrigens daran, der frühere Geschäftsführer des "Bonner Bürger Bundes" auch "Schulpflegschaftsvorsitzende der einst von Jürgen Nimptsch geleiteten IGS Bonn - Beuel" war.
Was die Bonner Stadtverwaltung im Rahmen des internet-basierten „Bürgerhaushaltes" zur Abstimmung stellt, kann man nur als Bürgerverwirrung bezeichnen. Entscheidende Fakten werden verschwiegen und die Fragestellungen verschleiern die Konsequenzen von Abstimmungsentscheidungen. Drei Beispiele, die nach dem Abstimmungsstand am 28. Januar um 11 Uhr eine Mehrheit haben, die sie bei ehrlicher Fragestellung wohl nicht erreichen würden.
1) Vorschlag D 3 „Wegfall/Kürzung der freiwilligen Leistung "Bezirksverwaltungsstellen"
Pro 543 - Contra 131
In der Erläuterung wird der Eindruck erweckt, die Bezirksverwaltungsstellen seien lediglich für Repräsentation und Zuschussverteilung an Vereine zuständig. Mit keinem Wort wird erwähnt, dass deren Wegfall bedeutet, dass jeder Bürger Behördengänge nicht mehr in seinem Stadtbezirk, sondern noch im Stadthaus erledigen kann.
2) Verwaltungsvorschlag V 2: Einsparung durch Verschiebung von Straßenbaumaßnahmen (angebliches Einsparvolumen 1,2 Mio €)
Pro 684 - Contra 201
Man kann nur gemeinsam über zwei Maßnahmen abstimmen, die tatsächlich überhaupt nichts miteinander zu tun haben: Ein Verkehrsinformationssystem in der Gronau und den Ausbau des Parkplatz Rigal'sche Wiese in Bad Godesberg. Ohne sachlichen Zusammenhang werden hier grundverschiedene Dinge in einen Topf geworfen.
3) Vorschlag D 49 „Wegfall/Kürzung der freiwilligen Leistung - Betriebsmittelzuschuss Beethoven Orchester Bonn"
Pro 467 - Contra 456
Mit keinem Wort wird erwähnt, dass das Orchester ohne diesen „Zuschuss" nicht existieren kann, da es sich um Grundfinanzierung handelt. Tatsächlich verbirgt sich hinter der Frage also der Vorschlag der Abschaffung des Beethovenorchesters
Das Beispiel „Oper/Theater" zeigt exemplarisch das Dilemma des internet-basierten „Bürgerhaushaltes" wie er zur Zeit in Bonn durchgeführt wird. Zur Zeit stehen dazu fast fünfzig Vorschläge mit teilweise völlig widersprüchlichen Ergebnissen zur Abstimmung. Einige Ergebnisse zum Vorschlag "Oper abschaffen" (Stand 26.1.2011, 11 Uhr):
Vorschlagsnummer | Pro | Contra |
V 1 | 574 | 512 |
D 52 | 418 | 376 |
B 310 | 155 | 230 |
B 380 | 257 | 234 |
B 551 | 91 | 86 |
B 631 | 124 | 114 |
B 744 | 33 | 96 |
B 758 | 75 | 83 |
B 849 | 55 | 168 |
Was soll man daraus ablesen ? --- zumal der Verwaltungsvorschlag V 1 in der Formulierung "Verwaltungsvorschlag; Wegfall/Kürzung des "Betriebsmittelzuschusses an das Theater Bonn (Oper, Schauspiel, Tanz)" keineswegs klar ausspricht, worum es geht und zum Beispiel den falschen Eindruck zulässt, die Oper könne ohne "Betriebsmittelzuschuss" weiter existieren.
Vor allem Bürger, die das Internetportal des "Bürgerhaushales" genutzt haben, kritisieren das Verfahren massiv: „Absurd" - „manipuliert" - „gewaltiger Flop" - „Ich fühle mich benutzt" - „Reine Farce" - „Traurige Angelegenheit" -„wende mich mit Grauen ab" - „Realisierung doch sehr bedauerlich" - „Eigentlich nur Kopfschütteln" -"Augenwischerei" lauten nur einige der Urteile. Im Forum „Lob & Kritik" der Seite www.bonn-packts-an.de ist das Urteil eindeutig: 58 mal Kritik, 15 mal Lob und 34 Fragen zum Verfahren (Stand 29.1.2011, 20:30 Uhr)
In einem Artikel zum zum Bonner "Bürgerhaushalt" schreibt die tageszeitung am 23. Januar von einem "absurden" Voregehen: "Man wird den Verdacht nicht los, dass die Bürgerbeteiligung hier an die Stelle des politischen Gestaltungswillens tritt. Oder soll sie ihn populistisch flankieren?"
21 Bonner Kulturfördervereinen, denen insgesamt etwa 20 000 Mitglieder angehören, bewerten die Internet-Befragung zum "Bürgerhaushalt" und das gewählte Verfahren ausnahmslos sehr kritisch.
Meine Stellungnahme zum Bonner Verfahren "Bonn packts an".
Vorabveröffentlichung aus:
Stephan Eisel, Internet und Demokratie, Herder Verlag, April 2011
Die repräsentative Demokratie bleibt das Zukunftsfundament unserer Gesellschaft, das haben Debatte und Schlichtung zu "Stuttgart 21" erneut gezeigt. Ohne Arbeitsteilung und Parteien geht es nicht und die Wahlbeteiligung bei Volksentscheiden liegt weiter unter der bei Wahlen. Lesen Sie zum Thema meinen aktuellen Aufsatz für DIE TAGESPOST vom 7. Dezember 2010