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Stephan Eisel
Populismus oder Grundsatztreue
Warum es bei der Entscheidung über die Kanzlerkandidatur im April 2021 um die Zukunft der Union ging
Die deutliche Wahlniederlage der Union bei der Bundestagswahl am 26. September 2021 hat eine wesentliche Ursache darin, dass CDU und CSU den Wählern keine inhaltliche Gestaltungsfreude vermitteln konnten, sondern als eher ideenlose Verwalter des status quo erschienen. Auch Fehler in der eigenen Wahlkampfstrategie spielten eine Rolle. Entscheidend für den mit 1,6 Prozent knappen Rückstand gegenüber der SPD waren aber die auf offener Bühne ausgetragenen Konflikte um die Kanzlerkandidatur der Union, die mit der Entscheidung über diese Frage nicht zu Ende waren.
Die Auseinandersetzung zwischen Armin Laschet und Markus Söder um die Kanzlerkandidatur der Union im April 2021 war dabei weit mehr als der übliche Wettbewerb zwischen zwei Personen mit unterschiedlichem Profil. Im Mittelpunkt standen auch nicht wesentliche programmatische Differenzen. Im Kern ging es um eine Grundsatzfrage, die Markus Söder selbst am 24. April 2021 in der „Süddeutschen Zeitung“ auf den Punkt gebracht hatte: Er und Laschet hätten „ein unterschiedliches Verständnis von Demokratie“.
Der hier aufblinkende fundamentale Dissens war der eigentliche Gegenstand der geheimen(!) Abstimmung im CDU-Bundesvorstand, die Laschet 31:9 Stimmen bei sechs Enthaltungen für sich entschieden hat. Es ging im Kern darum, ob die Union ihre Bindung an die repräsentative Demokratie mit ihren geordneten und transparenten Verfahren und Verantwortlichkeiten zur Disposition stellt und damit einem populistisch-plebiszitären Zeitgeist nachgibt, der andere Parteien längst erfasst hat.
Sollten die Unionsparteien ihr Programm aus ihren politischen Überzeugungen definieren und dafür um Zustimmung werben oder ihre Politik nach aktuellen Umfragen ausrichten, die Mehrheiten suggerieren, denen man einfach nur zu folgen braucht? Wollten CDU und CSU programmatische Parteien mit Grundsätzen bleiben oder sich zur personenbezogenen Bewegung wandeln, die sich auf demoskopisch gemessenen Stimmungen stützt? Was vordergründig als Wettbewerb zwischen Personen erschien, war tatsächlich eine fundamentale Grundsatzdebatte, deren Entscheidung zentral für die Zukunft der Union ist.
Worum es ging
Der Konflikt um diese Grundsatzfragen spitzte sich wie unter einem Brennglas in den wenigen Tagen im April 2021 zu, als es galt, die Frage der Kanzlerkandidatur der Union für die Bundestagswahl 2021 zu entscheiden. Am 11. April erklärten sowohl Armin Laschet als auch Markus Söder vor dem Vorstand der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ihre Bewerbung um diese Kandidatur. Damit standen erstmals in der über 70-jährigen Geschichte der Schwesterparteien die Vorsitzenden von CDU und CSU im direkten Wettbewerb um das gleiche Amt.
Bei Armin Laschet war die Bewerbung die allgemein erwartete Konsequenz aus seiner Wahl zum CDU-Vorsitzenden am 16. Januar 2021. Er hatte sich bei einem CDU-Parteitag in einer Stichwahl mit 521:466 Stimmen gegen Friedrich Merz durchgesetzt. Markus Söder hatte als Vorsitzender der kleineren Unionsschwester seine Bewerbung lange im Unklaren gelassen und knüpfte sie dann am 11. April in der gemeinsamen Pressekonferenz an eine klare Bedingung: „Wenn die CDU bereit wäre, mich zu unterstützen, wäre ich bereit. Wenn die CDU es nicht will, bleibt ohne Groll eine gute Zusammenarbeit."
Am Tag darauf traten die Führungsgremien von CDU und CSU zu getrennten Sitzungen zusammen. Man hatte verabredet, ein Meinungsbild ohne formelle Abstimmung einzuholen, um keinen der beiden Kandidaten zu beschädigen und ihnen zugleich einen Weg zu der von beiden vor den Medien angekündigten „gemeinsamen Lösung“ offen zu lassen. CDU-Parteivize Volker Bouffier teilte nach der Sitzung des CDU-Präsidiums am Vormittag mit, dort habe man Laschet "ohne Ausnahme" unterstützt und "deutlich gemacht, dass wir ihn für außergewöhnlich geeignet halten". Der CDU-Bundesvorstand schloss sich diesem Votum mit breiter Mehrheit an. Am Nachmittag des 12. April sprach sich dann das CSU-Präsidium für Söder als Kanzlerkandidaten aus.
Trotz des klaren Votums der CDU-Führungsgremien, Laschet zu unterstützen, zog Söder seine Kandidatur nun nicht wie allgemein erwartet zurück, sondern bestritt die Legitimation dieser Gremien, für die CDU zu sprechen. Er sagte in einer Pressekonferenz am Nachmittag des 12. April: „Es kann nicht sein, dass ein kleines Präsidium entscheidet und sagt: ,Basta, so ist es.'" Es sei zwingend, auch andere Stimmen zu hören.
Am Abend des gleichen Tages fügte Söder in einem Fernseh-Interview mit dem Bayerischen Rundfunk auf die Frage, ob er damit nicht wortbrüchig geworden sei, hinzu: „Natürlich macht es nur Sinn zu kandidieren, wenn man breite Unterstützung aus der CDU hat. Das heißt aber nicht nur das Gremium des Parteipräsidiums. Das ist ja ein relativ ausgewählter Kreis - und da habe ich Respekt vor dieser Entscheidung, das sage ich ausdrücklich: das ist ein wichtiger Punkt. Aber wenn man sieht, was im Laufe des Tages aus den Verbänden der CDU, aus Bezirks- und Landesverbänden durch - eine sagen wir einmal - anderslautende Ideenfindung stattfand, wenn man hört, dass es in der Fraktion wohl großen Diskussionsbedarf gibt, dann denke ich, ist es klug, dass man nicht nur in einem kleinen Hinterzimmer entscheidet.“
Damit war die Auseinandersetzung darüber eröffnet, ob in der CDU die gewählten Gremien die Entscheidungslegitimation besitzen oder durch andere im Diffusen liegende Verfahren ersetzt werden sollen. Dieser durch den „Hinterzimmer“-Vorwurf angeheizte Konflikt wurde eine Woche lang unter großer medialer Begleitung ausgetragen, bis er durch eine geheime Abstimmung im CDU-Bundesvorstand am 19. April zugunsten Laschets entschieden worden ist.
Intransparenter Basis-Mythos
Gegen das Votum der von ihm als „Hinterzimmer“ abgewerteten CDU-Führungsgremien reklamierte Markus Söder für sich immer wieder „großen Zuspruch aus den Reihen der CDU“. Man müsse in die Partei „hineinhorchen“. Im CSU-Präsidium hatte Söder am 12. April nach eigenen Angaben berichtet, er persönlich habe "unheimlich viele Aufforderungen bekommen - aus der CSU sowieso, aber auch aus der CDU“. So sagte er es in der anschließenden Pressekonferenz und wiederholte es in zahlreichen Interviews immer wieder.
Wer allerdings versucht, diese vielzitierte „Stimme der Basis“ konkret zu belegen, stößt schnell an Grenzen. So gab es in den Tagen nach Söders Kandidatur-Bekanntgabe nur ganz wenige Stellungnahmen von regionalen CDU-Gremien für ihn als Kanzlerkandidaten. Auf Landesebene wurde zunächst nur ein Beschluss des Präsidiums der Berliner CDU für Söder gemeldet. Allerdings handelt es sich bei der Hauptstadt-CDU um einen kleinen Verband, der z. B. auf CDU-Parteitagen nur 32 von 1001 Delegierten stellt.
Obwohl andere Festlegungen von CDU-Verbänden ausblieben, übernahmen die Medien Söders Narrativ von einer verbreiteten Stimmung zu seinen Gunsten in der CDU. Dafür wurden zunächst absurde Belege ins Feld geführt. So stellten fast alle überregionalen Medien bis hin zu den Hauptnachrichten-Sendungen dem Laschet-Votum des CDU-Bundesvorstandes am 12. April einen Beschluss des Vorstandes des Ortsverbandes Düsseldorf-Lierenfeld für Söder gegenüber – ohne zu erwähnen, dass diesem Ortsverband nur 15 Mitglieder angehören. Die CDU insgesamt hat über 10.000 Ortsverbände. Es war schlicht unseriös, einen einzigen davon zur „Stimme der Basis“ zu stilisieren.
In den folgenden Tagen von den Medien immer wieder zitierte Einzelstimmen aus der CDU beriefen sich ihrerseits auf von ihnen wahrgenommene „Stimmungen“. Dabei wurde sich auf Telefonanrufe und e-mails bezogen, deren tatsächliche Zahl aber schwer nachvollziehbar ist. Die mediale Verstärkung solcher Stimmungsbilder hat sicherlich auch einen Echoeffekt ausgelöst.
Insgesamt lassen sich in regionalen Medien weniger als hundert Funktions- und Mandatsträger der CDU nachweisen, die sich klar für Söder aussprachen. Dem stand eine spontane Unterschriftensammlung „Union für Laschet“ gegenüber, der sich in den vier Tagen nach dem 12. April 475 aktuelle und ehemalige Funktions- und Mandatsträger aus allen Bundesländern mit einem Schwerpunkt in Nordrhein-Westfalen anschlossen.
Teilweise wurde dagegen im Söder-Lager argumentiert, man dürfe bei der CDU-Basis Voten aus Nordrhein-Westfalen nicht mitzählen, wie auch bayerische Stimmen in der CDU ausgespart wären. Eine derartige Aufteilung in CDU-Mitglieder erster und zweiter Klasse hätte nicht nur 130.000 nordrhein-westfälische CDU-Mitglieder – also fast ein Drittel aller CDU-Mitglieder - vom Meinungsbildungsprozess ausgesperrt, sondern wäre auch die Aufhebung des demokratischen Urprinzips „One (wo)man – one Vote“ gewesen.
Für die Behauptung einer Diskrepanz zwischen dem Votum des CDU-Bundesvorstandes für Laschet und dessen Unterstützung an der Basis lassen sich objektiv nachvollziehbare Belege nicht finden. Medial verstärkte Einzelstimmen, die über „Stimmungsbilder“ berichten, sind dafür kein Ersatz. Ohne Zweifel gab es in der CDU auch Unterstützer für Söder, so wie sich übrigens in der CSU – allerdings medial fast völlig ignoriert – auch Unterstützer für Laschet zu Wort meldeten. Transparent und überprüfbar nachvollziehbar war allerdings das jeweilige Ausmaß nicht.
Das gilt auch für die vielfach zitierte Diskussion in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, wo sich am 13. April 2021 Laschet und Söder vorstellten. Der Fraktion gehören 245 MdBs an, davon 200 von der CDU. Von diesen meldeten sich 50 zu Wort, davon 28 pro Söder und 22 pro Laschet. Weitere zehn MdBs gehörten dem CDU-Bundesvorstand bzw. Präsidium an. Sie hatten sich schon dort für Laschet ausgeprochen. Drei Viertel der CDU-MdBs kamen in der Fraktionsvorsitzung nicht zu Wort.
Dennoch hatte die Fraktionsdebatte – die offenbar von den Söder-Unterstützern wesentlich besser vorbereitet war als vom Laschet-Lager – eine erhebliche mediale Wirkung, weil sich einige CDU-Abgeordnete nicht nur für Söder aussprachen, sondern dieses mit teilweise heftigen Angriffen gegen Laschet verbanden. Nach dem Präsidium der Berliner CDU stellten sich nun auch die Landesvorsitzenden der CDU in Hamburg und Thüringen hinter Söder. Dem schlossen sich dann ausdrücklich die Landesvorsitzenden und Ministerpräsidenten im Saarland und in Mecklenburg-Vorpommern an.
Selbst wenn man in diesen Verbänden eine einheitliche Unterstützung für Söder unterstellt – was nicht der Fall war –, kommen von dort wenig mehr als zehn Prozent der über 400.000 CDU-Mitglieder. So hat die CDU Sachsen-Anhalt weniger Mitglieder als der CDU-Kreisverband Rhein-Sieg. In Thüringen gibt es nur halb so viele CDU-Mitglieder wie in Schleswig-Holstein. Die CDU an der Saar hat nur ein Zehntel der Mitglieder der NRW-CDU.
Mediale Abfragen ergaben in anderen Landesverbänden ein gemischtes Stimmungsbild. Die Vorsitzenden der Landesverbände Rheinland-Pfalz und Sachsen legten sich nicht fest, die in Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Hessen und Nordrhein-Westfalen stellten sich ebenso ausdrücklich hinter Laschet wie die Vorsitzenden von Sozialausschüssen, Frauen-Union, Mittelstandsvereinigung und Seniorenunion. Selbst die Junge Union befragte lediglich ihre Landesvorsitzenden und zwar nur nach einem „Stimmungsbild“, das nach deren subjektiver Einschätzung in 14 Landesverbänden – die Hälfte davon hat deutlich weniger als 1000 Mitglieder - zugunsten von Söder ausfiel. Die JU-NRW mit mehr als einem Drittel aller JU-Mitglieder war für Laschet. Der JU-Bundesvorstand hatte in dieser Phase bemerkenswerterweise weder getagt noch ein Votum abgegeben.
Überprüfbare Voten aus CDU-Verbänden unterhalb der Bundes- und Landesebene sind im übrigen nur vereinzelt bekannt. So sprachen sich im Bezirksverband Rheinhessen-Pfalz die Kreisvorsitzenden überwiegend für Söder aus. In Mecklenburg-Vorpommern wurde in einer um die Kreisvorsitzenden erweiterten Landesvorstandssitzung eine Unterstützung von 70 Prozent für Armin Laschet festgestellt.
Mitgliederentscheide als Plebiszit-Variante
Nur aus drei der 325 CDU-Kreisverbänden ist bekannt, dass sie zur Kanzlerkandidaten-Frage Mitgliederbefragungen durchgeführt haben. In zwei Fällen geschah das digital: Im Kreisverband Mainz-Bingen waren von 2008 Mitgliedern nur 753 Mitglieder per mail erreichbar und 522 nahmen an der digitalen Umfrage teil. Davon votierten 407 für Söder. Das sind zwar drei Viertel derer, die an der Befragung teilgenommen haben, aber nur 20 Prozent der Mitglieder insgesamt. Ähnliches gilt für den Kreisverband Mainz mit 1300 Mitgliedern, von denen zum Zeitpunkt der Befragung 824 per mail erreichbar waren. An der Befragung beteiligte sich etwas mehr als die Hälfte (462). 364 stimmten für Söder.
Schon diese beiden Ergebnisse zeigen, dass eine von manchen geforderte (schnelle) digitale Befragung aller CDU-Mitglieder ein Viertel bis ein Drittel der Mitglieder ausgesperrt hätte, die aus welchen Gründen auch immer für die Partei bisher nicht digital erreichbar sind. Die Erfahrung einer sehr eingeschränkten Aussagekraft digitaler Mitgliederbefragungen hatte auch die Junge Union gemacht, als sie zum Wettbewerb um den CDU-Vorsitz zwischen Armin Laschet und Friedrich Merz im November 2020 die eigenen Mitglieder digital befragte. Beteiligt hatten sich selbst in der Altersgruppe unter 35 Jahren - bei dieser Altersgrenze endet die JU-Mitgliedschaft - nur 20,1 Prozent der Mitglieder.
Eine schriftliche Befragung zur Söder/Laschet-Frage gab es nur unter den rund 900 Mitgliedern im Kreisverband Worms-Alzey. 461 Mitglieder beteiligten sich daran, 380 sprachen sich für Söder aus – also etwas mehr als ein Drittel der Gesamtmitgliederzahl. Das Angebot einer schriftlichen Abstimmung an alle ca. 400.000 CDU-Mitglieder – eventuell gemeinsam mit den etwa 140.000 CSU-Mitgliedern – hätte die „Meinung der Basis“ nachprüfbar feststellen können.
In der Kanzlerkandidaten-Frage kam das Instrument für die Führung beider Unionsparteien schon aus Zeitgründen nicht in Frage. Man wollte die Personaldebatte nicht um drei oder vier Wochen verlängern, die eine schriftliche Befragung der Mitglieder in Anspruch genommen hätte. Markus Söder betonte ausdrücklich, eine solche Mitgliederbefragung sei "nicht Position des CSU-Präsidiums".
Repräsentative Gremien
Da eine Mitgliederbefragung für die Entscheidung über den Kanzlerkandidaten ausschied, wurden für die Entscheidungsfindung unterschiedliche Gremien ins Spiel gebracht, die aber ihrerseits nicht repräsentativ waren.
So gehören der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zwar 245 Abgeordnete an, es gibt aber in Deutschland 299 Wahlkreise. Über 50 Wahlkreise sind also weder durch direkt gewählte Abgeordnete noch über die Landesliste in der Fraktion vertreten. Betroffen sind vor allem Niedersachsen, Berlin, Hessen, Hamburg und NRW. Die Meinung der CDU-Mitglieder aus diesen Wahlkreisen wäre bei einer Fraktionsabstimmung gänzlich unter den Tisch gefallen.
Übrigens ist es eine klare Vorgabe des Parteiengesetzes, dass die Aufstellung von Kandidaten vornehmste Aufgabe der Parteien ist: Weder werden Bürgermeisterkandidaten von Ratsfraktionen aufgestellt, noch Bewerber um ein Ministerpräsidentenamt von Landtagsfraktionen.
Mangelnde Repräsentativität ist auch das Problem der für die Entscheidung über die Kanzlerkandidatur ebenfalls ins Spiel gebrachten Kreisvorsitzenden-Konferenz. Es gibt nämlich unter den 325 CDU-Kreisverbänden solche mit weniger als 300 Mitgliedern und solche mit mehr als 5.000 Mitgliedern. Jedem dieser Verbände nur eine Stimme zu geben, wäre also schon per se völlig verzerrend. Außerdem ließe sich in einer Stimme ein differenziertes Stimmungsbild im Kreisverband nicht zum Ausdruck bringen.
Tatsächlich repräsentativ für die über 400.000 CDU-Mitglieder – und nach der Satzung deshalb zugleich das höchste Entscheidungsgremium – ist der CDU-Bundesparteitag. Er besteht aus 800 Delegierten, die in den Kreisverbänden nach den dortigen Mitgliederzahlen gewählt werden. Dazu kommen 200 Delegierte, die die Landesverbände entsprechend der bei der letzten Wahl zum Deutschen Bundestag für die Landeslisten der CDU abgegebenen Zweitstimmen wählen. Vom Bundesvorstand anerkannte Auslandsverbände – z. Zt. nur Brüssel - entsenden ungeachtet ihrer Mitgliederzahl jeweils einen Delegierten zum Bundesparteitag. So kommt die Gesamtzahl von aktuell 1001 Delegierten bei einem CDU-Bundesparteitag zustande.
Bei einem CSU-Parteitag werden übrigens etwa zehn Prozent der Delegierten nicht von der Basis gewählt, sondern erhalten ihren Delegiertenstatus durch andere Ämter. Dazu gehören u. a. die Mitglieder des Parteivorstands und die Bezirksvorsitzenden, die CSU-Mitglieder der Bundes- und der Bayerischen Staatsregierung sowie die Vorsitzenden der Parteivereinigungen. Der weit überwiegende Teil der Delegierten wird allerdings auch bei der CSU in den Kreisverbänden entsprechend der Mitgliederzahl gewählt. Bei ihrem Parteitag im September 2020 kam die CSU auf 828 stimmberechtigte Delegierte, von denen 743 Delegierte in den Kreisverbänden gewählt worden waren. Sie repräsentieren ca. 140.000 Mitglieder.
Wenn über ein künftiges gemeinsames Entscheidungsgremium von CDU und CSU für die gemeinsame Kanzlerkandidatur nachgedacht wird, kann es sich nur um ein Gremium handeln, das die Zahl der Mitglieder nach gleichen Regeln abbildet. Für die CSU ist das wenig attraktiv, weil sie damit strukturell in einer Minderheitensituation wäre.
Der CDU-Bundesparteitag wählt alle zwei Jahre 42 Mitglieder des CDU-Bundesvorstandes. Dazu kommen per Satzung als weitere stimmberechtigte Mitglieder Ehrenvorsitzende, Bundeskanzler, Präsidenten oder Vizepräsidenten des Deutschen Bundestages, Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion des Deutschen Bundestages, Präsidenten des Europäischen Parlamentes, Vorsitzende der EVP-Fraktion des Europäischen Parlamentes und der CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament, soweit sie der CDU angehören. Daraus ergaben sich im April 2021 insgesamt 47 stimmberechtigte Mitglieder des CDU-Bundesvorstandes.
In der Satzung der CDU heißt es: „Der Bundesvorstand leitet die Bundespartei.“ Es war also nur folgerichtig, dass ein Votum der CDU über die Kanzlerkandidatenfrage im CDU-Bundesvorstand fallen musste, wenn ein Parteitag nicht zusammentreten konnte. Am 19. April erklärte Markus Söder vor der entscheidenden CDU-Bundesvorstandssitzung bei einer CSU-Pressekonferenz, seine Bereitschaft zur Kanzlerkandidatur sei ein Angebot: „Aber die Entscheidung darüber, ob dieses Angebot angenommen werden kann oder nicht, kann nur die CDU letztlich treffen.“
Damit hatte auch Söder anerkannt, dass die Entscheidung beim CDU-Bundesvorstand lag, der sich dann am Abend mit einem klaren 31:9 - Votum (bei sechs Enthaltungen) zu Gunsten von Armin Laschet entschied. An der Abstimmung hatten mit Ausnahme von Angela Merkel alle stimmberechtigten Vorstandsmitglieder teilgenommen.
In den (digitalen) Medien kursierte übrigens dazu die falsche Behauptung, im CDU-Bundesvorstand hätten bei dieser Abstimmung Landesvorsitzende und Ministerpräsidenten nicht teilgenommen und nur deshalb sei das Ergebnis mit 31:9 Stimmen so klar für Laschet ausgefallen. Tatsächlich waren stimmberechtigte gewählte Vorstandsmitglieder aus diesem Kreis vier der sechs CDU-Ministerpräsidenten (Bouffier, Haselhoff, Kretzschmer, Laschet). Lediglich kooptiert waren die Ministerpräsidenten Günther und Hans, von denen sich einer öffentlich für Laschet und der andere für Söder ausgesprochen hatte. Auch sieben der 17 CDU-Landesvorsitzenden waren gewählte und damit stimmberechtigte Vorstandsmitglieder (Althusmann, Breher, Bouffier, Klöckner, Kretschmer, Laschet, Strobl). Von den zehn nicht stimmberechtigten, sondern lediglich kooptierten Landesvorsitzenden hatten sich vier für Laschet und sechs für Söder positioniert hatten. Selbst wenn also alle Ministerpräsidenten und Landesvorsitzenden mitgestimmt hätten, hätte sich das Ergebnis um nur zwei Stimmen zugunsten Söders verändert.
Trotz der klaren Abstimmung des CDU-Bundesvorstandes zugunsten von Armin Laschet wurde die Debatte über die Kanzlerkandidatur aber vom unterlegenen Kandidaten und dessen Anhängern immer wieder neu befeuert. Schon am 20. April sagte der CSU-Generalsekretär Markus Blume bei der CSU-Pressekonferenz, bei der Söder seine Kandidatur mit Verweis auf das Votum des CDU-Bundesvorstands zurückzog: „Markus Söder war erkennbar der Kandidat der Herzen. Aber in der Demokratie und gerade auch in der innerparteilichen Demokratie entscheidet etwas anderes, nämlich am Ende die Mehrheit.“
Diese öffentliche Delegitimierung des CDU-Vorstandsvotums setzte sich fort. Auf die Frage der „Nürnberger Nachrichten“: „Mittlerweile haben Sie in Ihren "Hinterzimmern" getagt. Wie ist die Reaktion des CSU-Vorstandes oder des Parteipräsidiums auf Ihre Verunglimpfung der Gremien der Schwesterpartei?“ antwortete Söder am 24. April: „Da war nichts abwertend gemeint. Natürlich sind Gremien wichtig, aber ich wundere mich über ein sehr veraltetes Demokratieverständnis. Es gibt einen großen Wunsch der Bürger nach Beteiligung in Zeiten von hohen Partizipationsmöglichkeiten durch social media und Basisbefragungen. Das darf man nicht ausblenden.“
Es folgten viele ähnliche Sticheleien. Noch im ZDF-Interview am 1. August 2021 tat sich Markus Söder schwer, seine Niederlage zu akzeptieren und sagte: „Ich habe gesagt, ich mache ein Angebot, das muss zu hundert Prozent angenommen werden. Ich hätte wahrscheinlich gewonnen, wenn ich so eine harte Auseinandersetzung gemacht hätte - knapp gewonnen, es hätte aber nicht getaugt für einen guten Wahlkampf.“ Obwohl sich nur zwei der sechs CDU-Ministerpräsidenten für ihn ausgesprochen hatten, meinte Söder in diesem Interview auch, dass ihn „die Mehrheit der Ministerpräsidenten-Kollegen“ unterstützt hätte.
Selbst zwei Wochen vor der Bundestagswahl sagte CSU-Generalsekretär Markus Blume am 9. September in einem SPIEGEL-Interview: „Natürlich stünden wir mit Markus Söder besser da. Die ungebrochen hohen Zustimmungswerte für Markus Söder zeigen, welches Potenzial wir als Union eigentlich haben.“ Das Publikum rieb sich erstaunt die Augen, wie nachhaltig der demokratisch gewählte Kanzlerkandidat der Union immer wieder aus den eigenen Reihen öffentlich in Frage gestellt wurde.
Umfrage-Fetischismus
Markus Söder stellte dem seiner Meinung nach „veralteten Demokratieverständnis“ der CDU neben den höchst manipulativen volativen „social media“ immer wieder Umfragen gegenüber, in denen er im Blick auf die Unterstützung durch die Bevölkerung seit einiger Zeit vor Laschet gelegen hatte. Davon dürfe sich die Partei nicht abkoppeln. Darauf bezog sich auch die höchst problematische Aussage von Ministerpräsident Reiner Haselhoff am 15. April gegenüber dem „Spiegel“: „Leider geht es jetzt nur um die harte Machtfrage: Mit wem haben wir die besten Chancen? Es geht nicht um persönliche Sympathie, Vertrauen oder Charaktereigenschaften.“
Dass Umfragen sehr unzuverlässig sein können, hatten die Hauptprotagonisten freilich auch bei den bisher einzigen Wahlen am eigenen Beispiel erfahren, bei denen sie selbst als Spitzenkandidaten angetreten waren: Für die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen 2017 sahen Umfragen in den Monaten vor der Wahl die SPD vor der CDU, am Wahltag hatte sich die Reihenfolge zugunsten der CDU gedreht. Mit dem Spitzenkandidaten Laschet erreichte die Partei gegenüber 2012 einen Stimmenzuwachs von 6,7 Prozent und erhielt 33 Prozent der Stimmen. In Bayern hatten Umfragen ein halbes Jahr vor der Landtagswahl 2018 die CSU noch bei 42-44 Prozent gesehen. Tatsächlich landete sie am 14. Oktober 2018 mit dem Spitzenkandidaten Söder bei 37,2 Prozent und musste einen Verlust von 10,7 Prozent gegenüber 2013 hinnehmen.
Es ließen sich viele ähnliche Beispiele anführen: In jüngerer Zeit gehören dazu der massive Umfrage-Einbruch der grünen Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock ab Mai 2021. Schon legendär ist das kurzfristige Umfragehoch des SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz Anfang 2017, das eine dramatische Niederlage der SPD bei der Bundestagswahl im Herbst nicht verhinderte.
Popularitätswerte haben viel mit medialer Präsens zu tun. Bei Söders Umfrage-Hoch ab Frühjahr 2020 gibt es einen direkten Zusammenhang zum Vorsitz in der Ministerpräsidentenkonferenz, den er im Oktober 2019 übernommen hatte. Damit war er mit Beginn der Corona-Krise im Frühjahr 2020 ständig an der Seite von Angela Merkel zu sehen. Erst zu diesem Zeitpunkt nahm seine Umfrage-Popularität zu. Zuvor hatte sie auf dem gleichen Niveau wie bei Laschet gelegen.
WDR-Programm-Direktor und Umfrage-Spezialist Jörg Schönenborn bezeichnete am 15. April 2021 die Söder-Werte sogar als „Illusion“ und „optische Täuschung“, weil sie nur ein Spiegel dessen seien, „was die aktuelle Berichterstattung gerade zeigt“. (Morning Briefing Podcast von Gabor Steingart).
Personen vor Inhalten?
Mit einer weiteren Äußerung stellte Markus Söder bei seiner Pressekonferenz am 12. April das bisherige Selbstverständnis der Unionsparteien in Frage. So gern sie nämlich als „Kanzlerwahlverein“ beschrieben wird, so sehr hatte die CDU als Partei ihre Spitzenkandidaten hervorgebracht. Mit Ausnahme von Erhard und Kiesinger waren sie alle Parteichefs bevor sie Kanzler geworden sind. Dem „Parteien bringen Spitzenpersonal hervor“ stellte Söder nun gegenüber: „Personen spielen nun einmal eine zentrale Rolle. Personen ziehen die Parteien."
Hier hatte ihm die ÖVP in Österreich eine Vorlage gegeben. Als nach einer Serie von Wahlniederlagen im Mai 2017 deren Vorsitzender zurücktrat, nutzte der junge Europaminister und frühere langjährige Vorsitzende der „Jungen ÖVP“, Sebastian Kurz, dieses Macht-Vakuum und übernahm den Vorsitz. Die schlechten Umfragewerte der ÖVP zur für Oktober terminierten Nationalratswahl nutzte er, um innerhalb kürzester Zeit die Partei völlig auf seine Person auszurichten. Kurz rief „Die neue Volkspartei“ aus, stellte als Bedingung, dass die ÖVP bei den Nationalratswahlen 2017 unter dem Namen „Liste Sebastian Kurz“ antritt und ließ sich zusichern, dass seine Personalvorschläge für diese Liste übernommen werden. Die ÖVP hatte sich selbst kastriert.
Kurz war allerdings mit diesem personenbezogenen Konzept bei den Wahlen erfolgreich und konnte die Regierung bilden. Sein Rücktritt vom Kanzleramt im Oktober 2021 wegen staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen mit dem Verdacht der Untreue und Bestechlichkeit, hat inzwischen freilich allen vor Augen geführt, welche Risiken ein derart personenfixiertes Politikverständnis hat.
In seinem Interview mit den „Nürnberger Nachrichten“ am 24. April 2021 beklagte Markus Söder einerseits, ihm sei zu Unrecht vorgeworfen worden, „wie Sebastian Kurz in Wien oder wie Emmanuel Macron in Paris (zu) handeln“, um dann andererseits rechtfertigend hinzuzufügen: “Zumindest haben beide Wahlen gewonnen.“ Nach der Bundestagswahl sagte der ehemalige CSU-Chef Horst Seehofer am 27. Oktober Bild-TV: „Ich halte die These, wenn Markus Söder Kanzlerkandidat gewesen wäre, dann wäre alles besser gelaufen, für nicht nachvollziehbar."
In Frankreich stehen als Präsidialdemokratie mit der Direktwahl des Präsidenten übrigens per Verfassung Personen im Mittelpunkt. Emmanuel Macron war 2012 als Berater des sozialistischen Präsidenten François Hollande in den Élysée-Palast eingezogen und wurde 2014 Wirtschaftsminister. 2016 trat er zurück, gründete die eigene politische Bewegung „La République en marche“ (LREM) , erreichte als unabhängiger Kandidat 2017 die Stichwahl um das Präsidentenamt und besiegte dort die rechtsextreme Marine Le Pen. Die Regionalwahlen in Frankreich zeigten im Juni 2021 aber zugleich deutlich, dass es Macron nicht gelungen ist, seine personenbezogene Bewegung als stabile politische Kraft in Frankreich zu verankern.
Während Kurz einen Amtsinhaber besiegt und Macron sich im Wettbewerb um das Präsidialamt gegen eine extreme Bewerberin durchgesetzt hatte, stellt sich in Deutschland das Bild differenzierter da. Bei 19 Bundestagswahlen haben nur dreimal die Amtsinhaber verloren (Kiesinger 1969, Kohl 1998 und Schröder 2005). Bei den letzten 16 Landtagswahlen verloren die Amtsinhaber nur zweimal. Es handelt sich also in Deutschland eher um einen Amtsinhaber-Bonus als um einen Personen-Bonus.
Das gilt auch umgekehrt für die beiden Ausnahmen, jeweils 2017 in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein. Dabei hatte im Norden Ministerpräsident Torsten Albig im direkten Vergleich ebenso eindeutig vor Daniel Günther gelegen wie in Nordrhein-Westfalen Hannelore Kraft vor Armin Laschet. Würden „Personen Parteien ziehen“, hätten Kraft und Albig gewinnen müssen. Sie konnten aber die Grundregel nicht durchbrechen, nach der bei entsprechend schlechter Bilanz Regierungsparteien abgewählt werden, auch wenn die Spitzenkandidaten populär sind.
Das gilt auch umgekehrt: Konrad Adenauer, Helmut Kohl und Angela Merkel waren erfolgreiche Kanzler der Union, aber fast nie Umfragelieblinge. Wahlen gewannen sie trotzdem, denn gute Politik überwindet auch persönliche Umfragedefizite. Wolfgang Schäuble hat es zum Wettbewerb zwischen Laschet und Söder am 13. April in der „BILD“-Zeitung auf den Punkt gebracht: „Wir gewinnen die Wahl als CDU am besten, wenn wir sagen, wer danach das Land am besten regiert.“
Die Grundsatzfrage
Söders Herabsetzung gewählter Gremien als „Hinterzimmer“ – die er natürlich nie auf CSU-Gremien bezog, die ihn unterstützten -, seine Fixierung auf demoskopische Vorgaben sowie der Hang zur Reduzierung eines politischen Programms auf Personen waren die Leitplanken dessen, was er „ein unterschiedliches Verständnis von Demokratie“ nannte. Hier geht es um eine Grundsatzfrage, bei der Union keine Zweifel aufkommen lassen sollte.
Wolfgang Schäuble brachte das am 1. Juli 2021 in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ in seinem Aufsatz „Das Prinzip Repräsentation“ noch einmal auf den Punkt: „Und auch die Parteien werden vom basisdemokratischen Sog erfasst. Immer öfter geraten sie unter den Druck innerparteilicher Strömungen oder werden zu Unterstützungsbewegungen charismatischer Führungspersönlichkeiten. Auf diese Weise lassen sich beachtliche Erfolge erzielen – das haben Sebastian Kurz oder Emmanuel Macron bewiesen. Ohne eine lebendige Partei wird es aber schwierig, sich längerfristig durchzusetzen. Parteien sind Institutionen, die Meinungen bündeln und Interessen ausgleichen. Wenn sie nur zur Mobilisierung dienen, unterminieren sie ihre eigene Daseinsberechtigung. Das schwächt die Legitimation der repräsentativen Demokratie insgesamt.“
Letztlich war die Entscheidung der CDU für den Kanzlerkandidaten Armin Laschet eine klare Entscheidung gegen ein populistisch-volatives Politikverständnis und für die Stabilität bewährter Grundsätze und Institutionen. Wer die Wahlniederlage darauf zurückführt, stellt in Frage, wofür was bisher für die Union gegolten hat – nämlich, dass glaubwürdige Politik um Mehrheiten für die eigene Überzeugung wirbt und die eigene Überzeugung nicht von der letzten Meinungsumfrage abhängig macht. Wichtigste Entscheidungen in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland wie die Einführung der Sozialen Marktwirtschaft, die Gründung der Bundeswehr, der Nato-Doppelbeschluss oder die Euro-Einführung fielen gegen deutliche Umfragewerte.
Schon legendär ist die Antwort von Konrad Adenauer als ihn sein Regierungssprecher Felix von Eckardt mit dem Hinweis auf Meinungsumfragen vom Vorhaben der Wiederbewaffnung abbringen wollte: „Wir bleiben dabei, aber Sie haben jetzt mehr Arbeit.“ Helmut Kohl meinte zu den von ihm sehr wohl genau beobachteten Umfrageergebnissen: „Ich gehöre nicht zu denen, die morgens den Finger nass machen, um zu sehen, woher der Wind weht, und sich dann möglichst windschnittig aufstellen.“
Politiker müssen Umfragen kennen, sollten aber nach dem Grundsatz handeln: „Dem Volk aufs Maul schauen, den Leuten aber nicht nach dem Mund reden.“ Der britische Staatsphilosoph und Abgeordnete Edmund Burke hat dazu 1774 in einer Rede an die Wähler von Bristol eine zeitlos gültige Antwort gegeben: „Es sollte das Glück und der Ruhm eines Volksvertreters sein, in engster Verbindung, völliger Übereinstimmung und rückhaltlosem Gedankenaustausch mit seinen Wählern zu leben. … Doch seine unvoreingenommene Meinung, sein ausgereiftes Urteil, sein erleuchtetes Gewissen sollte er weder euch, noch irgendeinem Menschen oder irgendeiner Gruppe von Menschen aufopfern … Euer Abgeordneter schuldet euch nicht nur seinen ganzen Fleiß, sondern auch einen eigenen Standpunkt; und er verrät euch, anstatt euch zu dienen, wenn er ihn zugunsten eurer Meinung aufopfert.“
Es ist für die Zukunft der CDU wichtig, dass sie diese Lehren vom April 2021 nicht vergisst.
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die Grünen und die von ihnen geführte Verwaltung, um die Einspurigkeit auf der Adenauerallee durchzusetzen. So wurde gegenüber Rat und Öffentlichkeit fälschlicherweise behauptet, es gebe rechtliche Vorschriften, die die Einspurigkeit der Adenauerallee erzwingen würden. Tatsächliche gibt es diesen rechtlichen Zwang nicht, sondern es geht um eine politische Entscheidung.