Volltextsuche:

PUTINS BRUTALER ANGRIFFSKRIEG

war auch möglich, weil freiheitliche Demokratien ihre Pflicht zur Abschreckung vernachlässigt haben. Militärische Abschreckung braucht aber als Friedensgarantie einen Sitz im Leben freiheitlicher Demokratien, wenn diese wehrhaft gegen Kriegsverbrecher sein wollen.
PUTINS BRUTALER ANGRIFFSKRIEG

 

 

Den folgenden Beitrag können Sie hier ausdrucken.

 

 

 

Stephan Eisel

Abschreckung braucht als Friedensgarantie einen Sitz im Leben freiheitlicher Demokratien

Seit dem Ende des 2. Weltkrieges war die europäische Friedensordnung durch das Prinzip der Abschreckung stabilisiert. Dass Wladimir Putin diese Friedensordnung durch seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine ins Wanken gebracht hat, hat seine wesentliche Ursache darin, dass die Notwendigkeit von Abschreckung ihm gegenüber nicht mehr ernst genug genommen wurde. Um die friedensgarantierende Kraft der Abschreckung wiederherzustellen, bedarf es einer Besinnung auf deren Grundsätze und deren Revitalisierung gerade in der jungen Generation. Abschreckung kann ihre friedensstiftende Aufgabe nur erfüllen, wenn sie als politische und intellektuelle Herausforderung ernst genommen wird.

„Kämpfen können, um nicht kämpfen zu müssen“ ist und bleibt die Grundlage von Abschreckung und ihr ethisches Fundament.  Sie ist die Kriegsverhinderungsstrategie freiheitlicher Demokratien. Helmut Kohl hatte in seiner Regierungserklärung zum NATO-Doppelbeschluss am 21. November 1983 dazu treffend gesagt: „Unser eigenes Bekenntnis zum Gewaltverzicht wird erweitert durch die ethische Pflicht, andere davon abzuhalten, uns anzugreifen.“

Das Konzept der Abschreckung ist von Natur aus defensiv, aber darf nicht schwach sein, es muss entschlossen sein, ist aber nicht rücksichtslos. Militärisch setzt es auf den status quo durch die Verhinderung von Krieg, politisch ermöglicht es Offenheit, Wettbewerb und Veränderung. Sie ist nur glaubhaft, wenn sie politisch und materiell unterlegt ist. Politisch funktioniert Abschreckung ohne Militär nicht. Abschreckung ist auch deshalb ethisch vertretbar, weil sie einem potenziellen Angreifer die Wahl lässt, von seinem Vorhaben abzulassen. Dazu muss er aber überzeugt sein, dass die militärischen Fähigkeiten seines ins Auge gefassten Opfers so groß sind, dass die Kosten eines Angriffs dessen Nutzen übersteigen, und dass die Verteidigungsfähigkeit im Ernstfall auch eingesetzt wird.

Deshalb braucht auch Militär seinen Sitz im Leben freiheitlicher Demokratien. Die - damals übereilte – Aussetzung der Wehrpflicht durch eine parteiübergreifende Mehrheit des Bundestages am 24. März 2011 hat dem ebenso geschadet wie die ständige Ausdünnung der materiellen Ausstattung der Bundeswehr. Anfang der 1980er Jahre lagen die Verteidigungsausgaben noch bei fast 3 Prozent des Buttoinlandsprodukts. Nach der Wiedervereinigung wurde die 2-Prozent-Marke unterschritten und sank dann kontinuierlich auf ca. 1,2 Prozent.

Eine Trendwende bei den Verteidigungsausgaben wurde von der damaligen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen 2015 eingeleitet. Seitdem steigt der Verteidigungshaushalt von Jahr zu Jahr. Heute gibt Deutschland rund ein Drittel mehr Geld für Verteidigung aus als noch vor fünf Jahren. Aber die zuvor gerissenen Lücken bei der Bundeswehr sind damit noch lange nicht geschlossen. Deshalb war es richtig, dass Bundeskanzler Scholz in seiner „Zeitenwende-Rede“ am 27. Februar 2022 zur Bundeswehr vorgeschlagen hat: „Der Bundeshaushalt 2022 wird dieses Sondervermögen einmalig mit 100 Milliarden Euro ausstatten. Die Mittel werden wir für notwendige Investitionen und Rüstungsvorhaben nutzen. Wir werden von nun an Jahr für Jahr mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in unsere Verteidigung investieren.“

Weil es hier um eine Ausnahme von der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse geht, ist zur Umsetzung dieses Ziels eine Grundgesetz-Änderung nötig. Es ist richtig, dass CDU/CSU ihre Zustimmung daran knüpfen, dass dabei die von Scholz zugesagte regelmäßige Anhebung des Wehretats auf das 2-Prozent-Ziel ebenso garantiert wird wie die Zusage, dass das einmalige Sondervermögen ausschließlich der Bundeswehr zugutekommt. Dass sich die Ampel-Koalition im Gegensatz zur Scholz-Rede dem bisher verweigert, ist kein gutes Zeichen.

Für die Glaubwürdigkeit von Abschreckung ist es wichtig, nicht nur die militärischen Fähigkeiten eines möglichen Angreifers zu kennen, sondern auch dessen Interessen und sich über seine Absichten keine Illusionen zu machen. Zu lange wurde der Fehler gemacht, Putins Ankündigungen über die Ausweitung seines Herrschaftsgebiets nicht ernst zu nehmen. Er konnte das Gesetz des Handelns an sich ziehen, weil er deshalb nicht ausreichend vom Angriff abgeschreckt wurde. Putins Kalkül bestand darin, dass sein Wille zur Ausweitung der eigenen Herrschaft auf die Ukraine wesentlich stärker ist als die Bereitschaft des Westens, wegen der Ukraine einen Konflikt mit Russland zu beginnen. Bei der Besetzung der Krim und seinem Einmarsch in die Ost-Ukraine ist sein Kalkül 2014 aufgegangen.

Dass die NATO der Ukraine damals eine Beitrittsperspektive verweigerte, hat Putin offenkundig bestärkt, am 24. Februar 2022 die Ukraine erneut anzugreifen. Mit der einheitlichen Unterstützung des Selbstverteidigungsrechtes der Ukraine durch die Mitglieder der NATO und viele andere Länder auch durch Waffenlieferungen hat er wohl nicht gerechnet. Dass viele Länder – auch Deutschland – vor Kriegsbeginn solche Waffenlieferungen an die Ukraine verweigert haben, hat Putins Fehlkalkulation wohl befördert: ein Beitrag zur Abschreckung war es nicht.

Seit Beginn von Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine sind NATO und EU zwar erfreulich einig, aber sie reagieren meist nur anstatt zu agieren. Die Eskalationsdominanz liegt immer noch bei Putin. Zu oft – auch in der TV-Ansprache von Kanzler Scholz am 8. Mai 2022 - ist zu hören, was NATO und EU nicht tun werden. Passivitätsankündigungen schrecken aber Aggressoren nicht ab.

So hat sich die NATO zu Kriegsbeginn beispielsweise beim Thema Flugverbotszone in eine Sackgasse manövriert. Sie hat es verpasst, eine Umkehr der Beweislast einzuleiten: Es ist nämlich Putin, der versucht, völkerrechtswidrig eine Flugverbotszone über der Ukraine durchzusetzen: Im ukrainischen Luftraum soll nur noch geduldet werden, was ihm gefällt. Warum haben westliche Länder das anerkannt und sind nicht der Bitte der Ukraine nachgekommen, die Lufthoheit über ihrem Staatsgebiet zu gewährleisten? Es wäre eine defensive Maßnahme gewesen, z. B. Raketenbeschuss auf die Ukraine zu verhindern. Wenn die Ukraine dazu einlädt, sollten z. B.  auch humanitäre Versorgungsflüge westlicher Länder durchgeführt werden. Es liegt dann an Putin, ob er durch Angriffe darauf eine direkte Konfrontation mit der NATO mit allen Folgen herbeiführt. Er sähe sich wieder mit Abschreckung konfrontiert anstatt sie selbst einzusetzen.

Sich von Putin Welt- und Atomkriegsdrohungen abschrecken zu lassen, hat die Eskalation des Kriegs nicht verhindert: Dafür sind die zahlreichen auf Anordnung Putins begangenen Kriegsverbrechen ein brutaler Beleg. Es war ein schwerer Fehler, dass sich Bundeskanzler Scholz in seinem Spiegel-Interview am 22. April 2022 auf diese Rhetorik eingelassen hat. NATO und EU sollten durch eine längerfristige Strategie das Gesetz des Handelns an sich ziehen. Putin muss wissen, was ihn erwartet und nicht bei jeder Eskalationsstufe darauf hoffen können, dass eine Reaktion doch weniger dramatisch ausfällt. Bei Sanktionen gegen Russland und Waffenlieferungen an die Ukraine bricht sich inzwischen mehr Entschlossenheit Bahn. Es war falsch, dass die Regierung Scholz dabei oft den Eindruck eines Alleingangs durch Zaudern erweckt hat und leider immer noch erweckt. Abschreckung braucht Besonnenheit und Entschlossenheit. Wankelmut nimmt ihr die Wirkung und beschädigt zudem die Glaubwürdigkeit Deutschlands, das seinerseits besonders auf die Entschlossenheit und Verlässlichkeit der Partner angewiesen ist.

RSS

BESTELLUNG: KLICK AUF BILD

BESTELLUNG: KLICK AUF BILD
Dreimal "Beethoven in Bonn" von Stephan Eisel:
Ausführlich: Beethoven - Die 22 Bonner Jahre (Hardcover, 550 Seiten, bebildert, 2020) 34,90 €
Im Überblick: Beethoven in Bonn (Taschenbuch, 128 Seiten bebildert (90 Seiten plus engl. Übersetzung, 2020) 8,99 €
Aktuell: Bonn und Beethovens Neunte (Taschenbuch, 166 Seiten bebildert (106 Seiten plus. engl. Übersetzung, 2024) 12,99€

BUCHTIPP: 3. Auflage

BUCHTIPP: 3. Auflage

Die Presse zum Buch:
"
unbedingt lesenswert" + "verfasst von einem Mann mit genauem Blick in die Kulissen der Macht" + "ausgewogen" + "anschaulich" + "persönlich, direkt, ganz nah dran" + "schildert Kohls Charakter-züge" + "spannende Hinter-gründe" + "keine undifferen-zierte Schwärmerei"
Ausführliche Pressestimmen zum Buch finden Sie hier

Frühere Artikel

01. Dez 2024

AM 14. August 1949 WÄHLTEN DIE BONNER

Konrad Adenauer zu ihrem ersten MdB. Er blieb bis zu seinem Tod 1967 direkt gewählter Abgeordneter im Wahlkreis Bonn. In meinem Aufsatz "Konrad Adenauer als Bonner Bundestagsabgeordneter" habe ich mich intensiver mit diesem oft vernachlässigten Teil des Wirkens Adenauers befasst. Lesen Sie mehr…
21. Okt 2024

ZUR 12. OPERNGALA IN BONN ZUGUNSTEN

der Deutschen AIDS-Stiftung am 17. Januar 2025 lädt der Bonner CDU-Bundestagskandidat Hendrik Streeck ein. Er ist zugleich Vorsitzender des Kuratoriums der AIDS-Stiftung.  Lesen Sie mehr…
05. Apr 2024

DIE EINSPURIGKEI DER ADENAUERALLEE

wie sie die Bonner Grünen durchsetzen wollen, ist politisch höchst umstritten. Dabei wird oft behauptet, es gäbe einen rechtlichen Zwang für eine solche Maßnahme. Gegenüber Stephan Eisel stellte aber auch Stadtbaurat Helmut Wiesner fest, dass es "keinen unmittelbaren rechtlichen Zwang für die Herstellung der Einspurigkeit auf der Adenauerallee" gibt. Lesen Sie mehr…
09. Feb 2024

GEICH DREIMAL LÄUFT DIE GRÜN GEFÜHRTE

Bonner Kommunalpolitik in ein Sanierungsdesaster. Bei Stadthaus und Oper wiederholt man die gravierenden Fehler bei der Beethovenhalle. Dort haben sich bei der Sanierung einer maroden Mehrzweckhalle die Kosten vervielfacht und liegen jetzt bei über 225 Mio €. Auch bei Stadthaus und Oper wären Neubauten nicht nur wirtschaftlicher, sondern eine Chance zur Zukunftsgestaltung. Lesen Sie mehr…
01. Okt 2023

BEI DER BEETHOVENHALLE STEIGEN

die Kosten für die Luxussanierung weiter - in den vier Monaten von Mai bis September 2023 um 1,7 Mio €. Das enthüllte jetzt ein weitgehend unbeachteter Projektbereicht. Dort kann man auch lesen, dass die Ausführungsplanung weiter nur "schleppend" vorankommt. Lesen Sie mehr…
12. Sep 2023

DIE BONNER VERSCHULDUNG WIRD SICH

in Verantwortung der grün geführten Ratskoalition und der grün geführten Verwaltung mehr als verdoppeln. Diese Politik auf Kosten künftiger Generationen für in die Sackgasse und treibt Bonn in die kommunale Handlungsunfähigkeit. Lesen Sie mehr…
03. Aug 2023

AUF MANIPULATIVE IRREFÜHRUNGEN SETZEN

die Grünen und die von ihnen geführte Verwaltung, um die Einspurigkeit auf der Adenauerallee durchzusetzen. So wurde gegenüber Rat und Öffentlichkeit fälschlicherweise behauptet, es gebe rechtliche Vorschriften, die die Einspurigkeit der Adenauerallee erzwingen würden. Tatsächliche gibt es diesen rechtlichen Zwang nicht, sondern es geht um eine politische Entscheidung.

Lesen Sie mehr…
08. Jul 2023

EDITHA LIMBACH IST IM ALTER VON 90

Jahren verstorben. Die ehem. Bonner Bundestagsabgeordnete ist 1960 der CDU beigetreten und war 1970 - 1988 sowie 1998 - 2003 stv. Kreisvorsitzende der Bonner CDU. 1975 - 1989 gehörte sie dem Bonner Stadtrat an und 1987 - 1998 war sie Mitglied des Deutschen Bundestages.  Lesen Sie mehr…
04. Mai 2023

DIE GRÜNEN GEBEN IN BONN SEIT

zweieinhalb Jahren als stärkste Ratsfraktion und mit einer grünen Oberbürgermeisterin die Richtung vor. Dabei sind sie völlig auf Einschränkungen des Verkehrs zugunsten von Fahrradfahrern fixiert und tragen damit zu einer bedenklichen Polarisierung der Stadtgesellschaft bei. Lesen Sie mehr…
03. Mai 2023

POLITIK- UND MUSIKWISSENSCHAFT HABEN

an der Bonner Universität eine besonders lange und beeindruckende Tradition. In beiden Fächern wurden die ersten Lehrstühle im deutschsprachigen Raum hier eingerichtet. Aber durch Reformen im Rahmen des unseligen Bologna-Prozesses drohen diese Fächer in den Hintergrund zu treten. Lesen Sie mehr…
03. Mai 2023

DIE AKTIVISTEN DER „LETZTEN GENERATION“

Klebeaktionen und der Beschädigung von Gebäuden und Kunstwerken demokratische Prinzipien in Frage, sondern auch mit ihrem Vorschlag eines ausgelosten "Gesellschaftsrat", der gewählte Parlamente ersetzen soll. Lesen Sie mehr…
01. Apr 2023

DAS ERZBISTUM KÖLN WILL IN BONN

die traditionsreiche Liebfrauenschule schließen. Weil er das für einen schweren Fehler hält, hat Stephan Eisel mit seinen Nachfolgern im Vorsitz der CDU Bonn einen gemeinsamen Brief an Kardinal Woelki geschrieben. Christliche Kirchen dürfen sich nicht aus der Arbeit mit und für Jugendliche zurückziehen. Lesen Sie mehr…
02. Mrz 2023

DAS MILLIONENGRAB DER BEETHOVENHALLE

wird immer tiefer. Jetzt musste die Bonner Stadtverwaltung auch beim Parkplatz  Mehrkosten um 30 Prozent einräumen. Den Boden des Millionenlochs auf Kosten der Bonner Steuerzahler kann man schon längst nicht mehr sehen. Lesen Sie mehr…
03. Jan 2023

BEGABUNGSVIELFALT SOLLTE UNSER

Bildungssystem prägen. Aber in den letzten Jahren hat sich eine einseitige Fixierung auf die akademisch-theoretische Ausbildung in den Vordergrund geschoben. Das rächt sich jetzt durch einen dramatischen Fachkräftemangel gerade im Handwerk. Lesen Sie mehr…
23. Nov 2022

ÜBER 224 MIO € FÜR DIE BEETHOVENHALLE

will die grüne Bonner Oberbürgermeisterin Dörner ausgeben. Wie ihre beiden Vorgänger verkündet sie wieder eine Höchstgrenze, obwohl kein Ende des Sanierungsdesasters abzusehen ist. So rutschen die Ratsmehrheit und die Verwaltungsspitze immer tiefer in Millionengrab der Sanierung einer maroden Mehrzweckhalle. Lesen Sie mehr…